Schneller aufwärts mit KI

Immer mehr Unternehmen erkennen das Potenzial von KI: Zwischen 2023 und 2025 stieg der Anteil der deutschen Firmen, die KI nutzen, laut Ifo-Umfragen aus diesen beiden Jahren von 13 auf 41 Prozent an. Weitere 19 Prozent stehen kurz davor. Hier berichten drei Unternehmen, wie sie mit KI ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen und ihr Geschäft für die Zukunft aufstellen.
Bayer
KI kann Ärztinnen und Ärzte entlasten, bei Diagnosen unterstützen und zu einer besseren Patientenversorgung beitragen. Mit einer neuen Plattform will Bayer helfen, KI-Anwendungen schneller in den klinischen Alltag zu bringen.
Dr. Konstanze Diefenbach (links) und Franziska Lobig von Bayer wollen KI schneller in die Kliniken bringen, um Ärztinnen und Ärzte zu entlasten.

»Ich sehe nichts Ungewöhnliches.« Mit diesem Satz gehen 993 von 1000 Frauen erleichtert aus dem Mammographie-Screening zur Brustkrebsvorsorge. Doch was Patientinnen beruhigt, bedeutet für Radiologinnen und Radiologen Daueranspannung. »Die standardisierte Durchsicht Tausender unauffälliger Bilder ist eine buchstäblich un-menschliche Aufgabe«, sagt Prof. Christiane Kuhl, Direktorin der Radiologie am Uniklinikum Aachen. »Man ist permanent im Suchmodus und wird bei der großen Mehrzahl der Untersuchungen nichts finden. Die KI ist hier klar im Vorteil.«
Dies ist aber nur eine Facette der Belastung: »Mit den immer präziser werdenden diagnostischen Möglichkeiten, den wachsenden Ansprüchen der personalisierten Medizin an die Diagnostik und der steigenden Komplexität unserer Diagnose- und Behandlungsmethoden sehen wir Jahr für Jahr steigende Anforderungen an die Ärztinnen und Ärzte«, erklärt Kuhl. »Gleichzeitig nimmt mit einer immer älter werdenden Bevölkerung auch der Bedarf an bildgebenden Verfahren zu.« KI kann helfen: Als »zweites Paar Augen« unterstützt sie beispielsweise bei der Auswertung von CT- und MRT-Bildern und erkennt etwa bei Lungenscreenings auch Auffälligkeiten, nach denen aktiv niemand gesucht hat. In der Brustkrebsdiagnostik analysiert KI, ob eine Mammographie genügt oder ein ergänzendes MRT sinnvoll wäre, und kann so die Effektivität der Brustkrebs-Früherkennung drastisch erhöhen. KI kann aber auch bei Schlaganfällen helfen, die Dringlichkeit besser einzuschätzen. Und selbst bei Aufgaben wie dem Verfassen von Vorbefunden oder Arztbriefen könnte sie entlasten.
Doch bis solche Technologien im Klinikalltag ankommen, ist es ein weiter Weg. Bayer will gezielt helfen und unterstützt mit der »AI Innovation Platform« Kliniken, Start-ups und Forschungsteams dabei, neue KI-Anwendungen zu entwickeln, zu testen und in die Versorgung zu bringen. Dafür stellt der Konzern aus Leverkusen unter anderem eine Trainingsumgebung mit radiologischen Aufnahmen bereit und begleitet auf Wunsch auch den Zulassungsprozess. »Wir wollen sinnvolle KI-Anwendungen für die Radiologie mitgestalten«, sagt Dr. Konstanze Diefenbach, Leiterin Forschung und Entwicklung Radiologie bei Bayer. Dazu braucht es starke Technologiepartner. Bayer entschied sich für Google Cloud mit seiner skalierbaren, datenschutzkonformen Infrastruktur und führenden KI-Lösungen. »Die Kollaboration vereint die Stärken unserer beiden Unternehmen«, sagt Franziska Lobig, Commercial Lead der Plattform. »Bayer bringt jahrzehntelange Erfahrung im Gesundheitsbereich ein – von Diagnose bis Therapie. Google liefert fortschrittliche Cloud- und KI-Technologie.«
Wie stark KI Ärztinnen und Ärzte entlastet, lässt sich derzeit noch schwer beziffern. In Aachen verfolgt Kuhl ein klares Ziel: »An deutschen Unikliniken wurde die ärztliche Wochenarbeitszeit um zwei Stunden reduziert«, sagt sie. »Wir wollen das abfangen, indem wir das Personal mit KI bei Routineaufgaben wie der Erstellung von Arztbriefen unterstützen.« Im Idealfall bleibt so mehr Zeit für das, was neben der medizinischen Expertise ebenso zählt: das Gespräch mit den Patientinnen und Patienten.
Mercedes-Benz
Besseres Fahrerlebnis, neue Hilfe in der Produktion, effizientere Programmierarbeit: Mit vielfältigen KI-Anwendungen treibt der Autohersteller die Transformation voran.
Im neuen Mercedes-Benz CLA (hier mit CEO Ola Källenius) verbessert Google AI das Fahrerlebnis.

»Hey Mercedes, wir suchen ein romantisches Restaurant für unseren Jahrestag heute Abend.« Ein Satz wie dieser könnte im neuen Mercedes-Benz CLA die Grundlage für einen gelungenen Ausflug bilden. Denn die Mitfahrenden können sich mit einem virtuellen Assistenten wie mit einem bestens informierten Gastro-Experten unterhalten und auf Antworten mit Nachfragen reagieren: »Hat das Restaurant gute Bewertungen?« Möglich wird das durch ein KI-Feature, das auf dem »Automotive AI Agent« von Google basiert. »Unsere Partnerschaft mit Google trägt dazu bei, dass wir Innovationsführer bleiben und unseren Kundinnen und Kunden außergewöhnliche digitale Erlebnisse bieten«, sagt Ola Källenius, CEO der Mercedes-Benz Group AG. Während KI im Auto ein neues Fahrerlebnis schafft, steigert sie in anderen Bereichen des Konzerns Effizienz und Produktivität: So sparen mehr als 5000 Software-Entwicklerinnen und -Entwickler durch KI-Unterstützung beim Programmieren täglich 30 Minuten Arbeitszeit; dem Vertrieb hilft KI, optimale Verkaufspreise für Gebrauchtwagen festzulegen; und in der Produktion testet der Autobauer, wie man die Mitarbeitenden in den Produktionshallen mit KI entlasten kann. »KI ist ein zentraler Hebel, um die vielfältigen Herausforderungen der Automobilindustrie zu bewältigen – von der digitalen Transformation über den Fachkräftemangel bis hin zum verschärften globalen Wettbewerb«, sagt Källenius.
Die Mitfahrenden im CLA profitieren bereits von den KI-Fortschritten. Der virtuelle Assistent greift auf Infos zu 250 Millionen Orten und Sehenswürdigkeiten in der Google Places-Plattform zurück. Und dank Memory-Funktion weiß die KI, worum es geht, wenn ein Gespräch im Auto später fortgesetzt wird: »Sag mal, was ist die Spezialität des Chefkochs in dem Restaurant für heute Abend?«
Otto Group
Mithilfe von Google AI sorgt der Onlinehändler OTTO dafür, dass jederzeit die richtigen Produkte im Lager sind. So optimiert das Unternehmen Preise, reduziert Abfall und steigert die Kundenzufriedenheit.
Andreas Frenkler, VP Business Intelligence bei OTTO, und sein Team können dank KI um 30 Prozent genauer vorhersagen, wann welche Produkte gefragt sein werden

Wenn eine Kundin oder ein Kunde auf Otto.de auf »bestellen« klickt,ist diesem scheinbar simplen Vorgang einer der komplexesten Prozesse im deutschen Onlinehandel vorausgegangen. Denn wenn alles nach Plan gelaufen ist, hat OTTO schon vor der Bestellung gewusst, dass dieses Produkt bald gekauft wird. Für das traditionsreiche und hochinnovative Familienunternehmen ist die präzise Vorhersage der Kundennachfrage entscheidend: Nur wer frühzeitig weiß, welche Produkte gefragt sein werden, kann Lagerkosten senken, Lieferzeiten verkürzen und nachhaltig wirtschaften. Das OTTO-Team hat zur weiteren Verbesserung dieser Prognosen die bisher eingesetzten Machine-Learning-Modelle ersetzt: Mit dem KI-Modell »TiDE« (Time-series Dense Encoder), das von Google Cloud speziell für die Vorhersage von Zeitreihen über längere Zeiträume hinweg entwickelt wurde, analysiert OTTO historische Verkaufszahlen, saisonale Muster, Preisentwicklungen und externe Faktoren wie Werbung oder Wetter.
Das Ergebnis: eine bis zu 30 Prozent höhere Vorhersagegenauigkeit. Besonders bei Artikeln mit schwankender Nachfrage liefert das Modell verlässliche Prognosen – und damit die Basis für eine effizientere Bestandsplanung. »Die Fähigkeit von TiDE, den gesamten Lebenszyklus eines Produkts zu modellieren, verbessert unsere Fähigkeit, Artikel von der Markteinführung bis zur Einstellung zu verwalten, und sorgt für konsistente und zuverlässige Prognosen über die gesamte Produktlebensdauer«, erklärt Dr. Christian Wiel, Senior Data Scientist beim Tochterunternehmen Otto Group one.O.
Andreas Frenkler, Vice President Business Intelligence, ergänzt: »Mit dem Projekt schaffen wir eine verbesserte Basis für datengetriebene Entscheidungen in Echtzeit – ein wichtiger Schritt für unsere Supply-Chain-Prozesse.« Die Vorteile: höhere Kundenzufriedenheit, weil immer die richtigen Produkte auf Lager sind, weniger Abfall und ein nachhaltigerer Umgang mit Ressourcen. OTTO kann Marktveränderungen flexibel antizipieren und die Lieferkette entsprechend aussteuern. »Künstliche Intelligenz ist für uns ein strategischer Hebel, um effizienter zu wirtschaften«, sagt Dr. Michael Müller-Wünsch, CIO von OTTO. »Mit Google Cloud erweitern wir unser technologisches Fundament für den Handel der Zukunft.«