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Braucht Journalismus ein Tempolimit? – Notizen vom vierten Google Talk Berlin



Egal ob bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich und den USA oder der anstehenden Bundestagswahl – der Einfluss sogenannter Fake News auf die politische Meinungsbildung ist weiter umstritten. Welche Rolle spielt Journalismus im Umgang mit „Fakten, Fake und Propaganda“? Und sind unsere Medien und Redaktionen dafür ausreichend gewappnet? Dies waren einige der diskutierten Fragen beim vierten Google Talk am Montag in Berlin, bei dem unser Konferenzraum „Clärchens Ballhaus“ förmlich aus allen Nähten platzte.

Foto vom Google-Konferenzraum, in dem der vierte Google Talk Berlin stattffand

Volles Haus und neuer Rekordbesuch beim #GtalkBerlin 

Zu Beginn der Talkrunde berichtete Grimme-Preisträger Marcel Mettelsiefen von seinen Erfahrungen als Dokumentarfilmer im Mittleren und Nahen Osten. Seit dem Arabischen Frühling gebe es dort ein „Hyper-Angebot“ von Bildern und Informationen; es sei enorm schwierig, angesichts der „Vielzahl von Realitäten“ zur Wahrheit vorzudringen. Insbesondere in Syrien könne man als Journalist kaum noch professionell arbeiten, so Mettelsiefen. So entschied er sich für emotionale, persönliche Dokumentationen wie „Die Kinder von Aleppo“ oder „Watani – My Homeland“, für den der Filmemacher kürzlich sogar für einen Oscar nominiert wurde.

Foto vom Panel mit Dokumentarfilmer und Fotograf Marcel Mettelsiefen

Dokumentarfilmer und Fotograf Marcel Mettelsiefen

Selbstkritisch und nachdenklich zeigte sich während der Diskussion Georg Mascolo, Leiter des Rechercheverbundes von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung. „Wir Journalisten erlauben uns mehr Fehler, als wir uns leisten dürfen“, konstatierte er und forderte eine Art Tempolimit für seine Zunft. „Wir müssen aus dieser besinnungslosen Geschwindigkeitsspirale im Online-Journalismus heraus. Schnellster zu sein ist nur die zweitwichtigste Regel für Journalisten, die wichtigste ist, richtig zu liegen“, betonte er. Journalismus müsse ein „Ort der Mäßigung und der Zurückhaltung sein“, so Mascolos Appell. „Unsere Glaubwürdigkeit steht und fällt mit der Überprüfung der Fakten.“

Foto von Georg Mascolo, Leiter des Rechercheverbundes von NDR, WDR und SZ beim vierten Google Talk Berlin

Georg Mascolo, Leiter des Rechercheverbundes von NDR, WDR und SZ

Optimistisch äußerte sich Laura Himmelreich, Chefredakteurin des deutschen Ablegers von VICE.com. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung könne sehr wohl auseinanderhalten, wann es sich um falsche Nachrichten handele und wann nicht, erklärte sie. Auch sie betonte die Verantwortung von Journalisten und kritisierte das Modell bestimmter Nachrichtenseiten, Klicks um jeden Preis zu generieren. Hierdurch leide am Ende die Marke. Im Umgang mit falschen Nachrichten riet sie zu mehr Gelassenheit: „Nicht jede Fake News muss mit viel tam-tam richtig gestellt werden“. Oft würden derartige Geschichten durch die journalistische Recherche geradezu aufgewertet.

Foto von Laura Himmelreich, Chefredakteurin VICE.com beim vierten Google Talk Berlin

Laura Himmelreich, Chefredakteurin VICE.com

Sabine Frank, Leiterin Regulierung, Verbraucher- und Jugendschutz bei Google Deutschland, betonte die Bedeutung einer digitalen Medienkompetenz in einer immer komplexeren Informationswelt . „Wir müssen verstehen, wie Medien im digitalen Zeitalter funktionieren“, so Sabine Frank. Dies werde immer mehr zu einer „Kulturtechnik wie das Lesen, Schreiben oder Rechnen“. Daneben nahm sie auf dem Podium ausführlich dazu Stellung, wie Google und YouTube mit illegalen oder kontroversen Inhalten umgehen.

Foto von Georg Mascolo und Sabine Frank, Google, beim vierten Google Talk Berlin

Georg Mascolo und Sabine Frank, Google

Einig zeigten sich Georg Mascolo und Sabine Frank in der Bewertung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, mit dem die Bundesregierung „Fake News“ und „Hate Speech“ im Internet begegnen will. Die Google-Vertreterin warnte, ein solches Gesetz würde die Kommunikationskultur nachhaltig verändern. Die meisten der betreffenden Inhalte lägen nun mal im „Graubereich“, künftig würden diese aber „im Zweifel gelöscht“ werden. Georg Mascolo kommentierte knapp: „Ein gut gemeintes, aber schlecht gemachtes Gesetz.“

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Von links nach rechts: Georg Mascolo, Laura Himmelreich, Moderatorin Melanie Stein, Sabine Frank, Marcel Mettelsiefen Georg Mascolo formulierte das Fazit der Runde: „Wir sind mittendrin in einer großen und bedeutsamen Debatte, wie sich Journalismus entwickeln wird.“ Er könne jedoch nicht sagen, wie sie ausgehen wird.

Genug Stoff also für den nächsten Google Talk Berlin. Wir freuen uns drauf!