Der früheste Wahlabend des Jahres - bei Google in Berlin
Wer Google in Berlin schon länger begleitet, hat sicher schon den einen oder anderen Wahlabend bei uns erlebt. An diese Tradition wollten wir auch im Superwahljahr 2024 anschließen. Mit Expertinnen und Experten von Google und YouTube, zahlreichen Partnerorganisationen und einigen hochkarätigen politischen Gästen wurde mehr als 90 Minuten über aktuelle Herausforderungen digitaler Plattformen diskutiert. Dazu zählte wenig überraschend das Thema der Stunde - künstliche Intelligenz.
Sabine Frank, Head of Governmental Affaires and Public Policy, YouTube DACH/CEE, und Lutz Mache, Government Affairs and Public Policy Manager, Google
Im ersten Gesprächsblock stellten Sabine Frank und Lutz Mache das Maßnahmenpaket von Google und YouTube vor, um die Wahlen zu unterstützen und zu schützen. Sie informierten dabei über die drei Säulen des Wahlprogramms: 1) Zugang zu zuverlässigen Informationen für Wählende, 2) Unterstützung von Kampagnenteams mit Sicherheitswerkzeugen und Schulungen sowie 3) Bekämpfung von Inhalten, die die Integrität von Wahlen gefährden. Sabine Frank erläuterte insbesondere die neuen Anforderungen von YouTube an KI-generierte Inhalte sowie deren Kennzeichnung durch ein entsprechendes Label.
Google-Sprecher Ralf Bremer, Jeannette Gusko (Correctiv), Dr. Melisa Basol und Stefan Voss (dpa)
Medienkompetenz, Faktenchecks und „Prebunking”
Im anschließenden Partnerpanel wurden weitere Initiativen vorgestellt, um die Gesellschaft vor Online-Manipulation und anderen Gefahren zu schützen. Jeannette Gusko, Geschäftsführerin des gemeinwohlorientierten Medienhauses Correctiv, berichtete über die Veränderung ihrer Arbeit nach den Enthüllungen zu “Remigrationsplänen” rechter Kreise. Sie präsentierte außerdem erstmals das Projekt “Factinating”, in dem Correctiv gemeinsam mit YouTube und verschiedenen Influencern die Medienkompetenz jüngerer Wählerinnen und Wähler stärken möchte.
Stefan Voss, Faktencheck-Experte der dpa, erläuterte im Anschluss das Projekt Faktencheck24, in dem sein Team bereits im vierten Jahr - unterstützt von der Google News Initiative - Redaktionen in Deutschland, Österreich und der Schweiz in Sachen Faktenchecks trainiert. Mehrere tausend Journalist:innen haben bereits daran teilgenommen und natürlich bildet die Nutzung und Erkennung von KI-Inhalten einen Schwerpunkt des Programms.
Die Sozialpsychologin Melisa Basol hat mit Google und Jigsaw schon mehrere Informationskampagnen nach der „Prebunking-Methode“ ins Leben gerufen. Sie erläuterte das Konzept, wie man mit kurzen Videoclips Menschen für unterschiedliche Techniken manipulativer Desinformation sensibilisieren kann. Auch im Vorfeld der Europawahl sollen mit einer solchen Informationsoffensive Millionen von Wählerinnen und Wählern erreicht werden - damit Desinformation schon bekämpft wird, bevor sie überhaupt verbreitet werden kann.
Ralf Bremer und Düzen Tekkal, Gründerin GermanDream
An der Kampagne beteiligt sich in diesem Jahr auch erstmals die Organisation „German Dream” als Partner, deren Gründerin Düzen Tekkal ebenfalls dabei war. Sie richtete einen eindringlichen Appell an die Gäste, die Spaltung der Gesellschaft zu adressieren und die Verantwortung für Desinformation online nicht alleine den Plattformen zuzuweisen.
Das abschließende politische Panel nahm die Steilvorlage von Düzen Tekkal auf und diskutierte unterschiedliche Konzepte, um den diversen gesellschaftlichen Herausforderungen im Wahljahr zu begegnen. Martin Schulz, langjähriger Präsident des Europäischen Parlaments, forderte in eindringlichen Worten, bei manch abstrakter Diskussion die alltäglichen Sorgen weiter Teile der Bevölkerung nicht zu vergessen. Hier bedürfe es einer einfachen Sprache, man müsse die Menschen auch emotional erreichen. Und er wünschte sich weniger Weltuntergangsstimmung und mehr Optimismus.
Ruprecht Polenz, Annette Kroeber-Riel (Google), Martin Schulz und Dr. Kristina Schröder
Ruprecht Polenz, ehemaliger CDU-Generalsekretär, schilderte anschaulich, wie wichtig die persönliche Präsenz der Politik auf Social-Media-Plattformen ist. Nur so könne man wirklich authentisch mit anderen diskutieren. Und anders als auf “analogen Wahlveranstaltungen”, wo 30-40 Teilnehmende ein Erfolg seien, könne man eben auf den Plattformen hunderttausende Menschen mit einem Post erreichen.
Kristina Schröder, frühere Bundesfamilienministerin, mahnte, bei aller begründeten Sorge vor Polarisierung und Manipulation mit Augenmaß vorzugehen. Immerhin gehe es hier um den offenen Diskurs in unserer Gesellschaft. Häufig werde, so Schröder, durch Begriffe wie „Hass und Hetze“ die Grenze zwischen erlaubten und nicht-erlaubten Aussagen verwischt. Dabei müsse alles, was von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, auch gesagt werden dürfen.
Annette Kroeber-Riel, Vice President von Google, warnte ebenfalls davor, durch zu starke Eingriffe die Meinungsfreiheit zu gefährden.
Moderatorin Victoria Reichelt im Gespräch mit Martin Schulz
Durch den Abend führte kompetent und eloquent die YouTube-Macherin und Journalistin Victoria Reichelt. Mit geschickten Fragen schaffte sie es immer wieder, die zum Teil etwas ausschweifende Diskussion (Stichwort Marmeladengläser) zurück zum Thema zu bringen. Ein großes Dankeschön an Victoria Reichelt und all unsere Gäste!
“Der früheste Wahlabend” des Jahres endete dann doch recht spät. Bei Getränken und Snacks wurden die Themen intensiv weiter diskutiert. Denn so viel steht fest: Im Superwahljahr 2024 gibt es für alle Beteiligten noch jede Menge Arbeit.
(Alle Fotos von Lars Hübner)