Women in Tech: Klischees überdauern Generationen
Dieser Meinungsbeitrag erschien zuerst auf „She Works!“.
Eigentlich wollte ich Journalistin werden. Das war zumindest mein erster Gedanke, als ich zur Uni ging, nachdem ich in der Schule bereits gerne in einem journalistischen Gruppenprojekt mitgearbeitet hatte. Es fühlte sich für mich logisch an, das zu studieren, was mir sowieso schon Spaß machte. Allerdings dauerte es nicht lange bis ich feststellte, dass mir einige Seiten des Berufs nicht liegen würden. Ich war damals sehr ruhig – die Vorstellung, jeden Tag mehrmals den Hörer in die Hand zu nehmen, um fremde Menschen anzurufen, damit ich meine Story schreiben konnte, das war auf Dauer nichts für mich. Das Studium absolvierte ich dennoch, aber mit dem Wissen im Hinterkopf, dass ich niemals als Journalistin arbeiten würde. Ein Freund überredete mich damals, mit ihm gemeinsam etwas zu programmieren. Ich gab ihm eine Stunde Zeit, mich von seiner Faszination anstecken zu lassen – es war mein erster Berührungspunkt mit der Informatik. Heute leite ich als Software Engineer ein Team von mehr als 70 Personen im Google Safety Engineering Center.
Auch wenn ich im Rückblick sage, dass alles genau so richtig war, wie es passiert ist, wünsche ich mir für unsere Branche, dass mehr Frauen den Weg zu uns finden und das nicht nur durch Zufall, wie es bei mir der Fall war. Drei Dinge stehen dem im Weg: Klischees, fehlende Aufklärung und unser eigener Mut.
Als eine von einer Handvoll weiblichen Studierenden in meinem Jahrgang begegneten mir damals zahlreiche Klischees. Mir wurde beispielsweise häufiger als meinen männlichen Kommilitonen Hilfe angeboten oder Fragen gestellt. Ich hatte das Gefühl, ich musste mich immer beweisen, jedes Mal einen Schritt mehr gehen als meine Kommilitonen und gegen einen Stereotyp ankämpfen. Während mich es damals rein auf meine Situation bezogen störte, tut es das heute im größeren gesellschaftlichen Kontext. Noch immer – so scheint es mir – herrscht das Denken vor: Technik ist etwas für Männer. Kein Wunder, viele Vorbilder und Pioniere in diesem Bereich waren Männer, zahlreiche Gründer großer Tech-Firmen – nicht zuletzt unsere bei Google – sind männlich und eine hohe Anzahl an Führungspositionen sind männlich besetzt. Auch wenn ich merke, dass ein Umdenken stattfindet, so ist mir auch bewusst geworden, dass solche Klischees Generationen überdauern. Erst in Zukunft werden wir hoffentlich ganz selbstverständlich Berufe nicht mehr mit bestimmten Geschlechtern assoziieren. An diesem Punkt sind wir aber noch lange nicht. Aber umso wichtiger ist es, dass wir verstärkt an diesem Wandel arbeiten.
Das bringt mich zur zweiten Herausforderung – und das sind wir selbst. Denn oft stehen wir uns selbst im Weg, wenn es darum geht, mit Klischees zu brechen und für die eigenen Fähigkeiten einzustehen. Gerade Frauen fällt es manchmal schwer, über ihre eigenen Erfolge zu sprechen und sich ihrer Fähigkeiten nicht nur bewusst zu werden, sondern sie auch offen zu zeigen. Und meiner Erfahrung nach gilt das besonders für Branchen, in denen es „nicht üblich“ ist, als Frau erfolgreich zu sein. Doch nur wenn wir als Vorbilder vorangehen, können wir den gesellschaftlichen Wandel auch mitgestalten. Ich bin überzeugt davon, dass wir gemeinsam einen Unterschied machen können. Sei es durch die gegenseitig Unterstützung in Initiativen wie Women Techmakers, oder Workshops wie #IamRemarkable, in denen Teilnehmer:innen lernen, für Erfolge einzustehen. Es liegt an uns, die Möglichkeiten, die unsere Branche bietet, hervorzuheben und Vorbilder für junge Generationen zu sein, um Informatik zu einem attraktiven Beruf zu machen – für Jungen und Mädchen gleichermaßen.
Das würde auch die Sichtbarkeit erhöhen, die meiner Ansicht nach fehlt. Konkret mangelt es an Aufklärungsangeboten, durch die junge Menschen erfahren, welche Möglichkeiten sie haben. In einer Zeit, in der Digitalisierung aus dem Großteil der Berufe nicht mehr wegzudenken ist, sollte es auch Teil unserer Schulbildung sein. Hätte ich damals nicht an der Schülerzeitung mitgewirkt, sondern die Möglichkeit gehabt, grundlegende Programmierkenntnisse zu erhalten, wäre mein Weg vielleicht stringenter verlaufen. Vor allem, wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass Informatik so viel mehr als Programmieren und Mathematik ist. Daher denke ich, dass eine Einführung in digitale Berufe schon in der Schule thematisiert werden sollte – und das ganz klar auch mit Frauen in einer Vorbildrolle.
Gemeinsam können wir alle drei Herausforderungen bewältigen und den gesellschaftlichen Wandel vorantreiben. Tage wie der Internationale Frauentag helfen dabei, aber lasst uns gemeinsam auch die restlichen 364 Tage des Jahres nutzen, die Erfolge von Frauen in unserer Branche hervorzuheben und Informatik zu einem Beruf zu machen, der Chancengleichheit für alle bietet.
Über Dr. Janina Voigt
Dr. Janina Voigt arbeitet seit acht Jahren als Software Engineer im Münchner Google Safety Engineering Center. Sie und ihr über 70-köpfiges Team verantworten die Arbeit an Tools und Funktionen, um die Privatsphäre von Nutzerinnen und Nutzer weltweit zu schützen. Nur durch Zufall stieß sie damals auf das Programmieren und absolvierte schließlich ihr Studium an der University of Canterbury in Neuseeland. Nach einem kurzen Praktikums-Stop bei Google in München im Jahr 2011 machte sie ihren PhD in Cambridge, bevor sie wieder zu Google zurück kehrte. Nach vier Jahren sammelte sie erstmals Leadership-Erfahrung. Frauen, die sie auf ihrem Weg inspiriert und motiviert haben sind unter anderem Jen Fitzpatrick, SVP Core bei Google, Jacinda Ardern, Premierministerin von Neuseeland, und ihre Mutter, die damals alleinerziehend war. Vor allem die Empathie, die Fürsorge und das ständige Ziel, das Richtige zu tun, sieht Janina als große Stärke von weiblichen Führungskräften an. Janina ist zudem Vorstandsmitglied von Deutschland sicher im Netz e.V. (DsiN), einem gemeinnützigen Bündnis, das Verbraucher:innen und kleinere Unternehmen im sicheren und souveränen Umgang mit der digitalen Welt unterstützt.