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Googler

„Es ist mir wichtig, ich selbst sein zu können“

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Olá Daniel! Wie bist du in den Tag gestartet?

Hallo ihr beiden! Normalerweise sind meine Familie und ich um 6 Uhr morgens schon wach. Wir frühstücken gemeinsam, spielen mit unserem Hund Hugo und „streiten“ ein bisschen darüber, welche Klamotten die Kinder anziehen sollen (oder besser nicht). Heute haben wir auch zusammen eine Tanzeinlage zu Disneys “We don’t talk about Bruno” aus dem Animationsfilm Encanto hingelegt, dabei den Text auf unseren Hund Hugo umgedichtet: We don’t talk about Hugo – das hat sehr viel Spaß gemacht.

Du arbeitest seit sechs Jahren bei Google. Erst in London, mittlerweile in Berlin. Welches Office gefällt dir besser?

Das ist tatsächlich schwer zu sagen. Die Office-Kultur ist in beiden Büros sehr nett und willkommend, wobei London ein viel größerer Standort und dadurch noch diverser ist. Dort hört man noch mehr unterschiedliche Sprachen als in Berlin, man sieht mehr People of Color.Da ich länger in London gearbeitet habe, kenne ich nicht nur die Stadt besser, sondern kenne auch mehr Googler:innen und habe einen größeren „Sense of community“. Man muss aber berücksichtigen, dass ich mitten im ersten Covid-Lockdown in 2020 umgezogen bin und erst jetzt die Möglichkeit habe, unserer Berliner Büro-Leben zu genießen. Am Standort Berlin bin ich aktiv in unserer Pride-Community und anderen internen Vertretungen tätig.

Was mir in Berlin gefällt: Es ist immer jemand bereit, auf meinen Hund Hugo aufzupassen, während ich in unserer Kantine Mittag essen gehe oder im Fitnessstudio trainiere. Hier in Berlin herrscht ein tolles Gemeinschaftsgefühl und ich mag die Leute hier wirklich sehr gerne.

Dein jetziger Jobtitel lautet Travel & Retail Lead - EMEA Partnerships Solutions. Was können wir uns darunter vorstellen?

Unser Fokus ist, mit unseren größten, wichtigsten Partnern im Retail- und Travel-Bereich zusammenzuarbeiten und ihnen dabei als Ansprechpartner:innen in Sachen Digitalisierung zur Seite zu stehen und sie mit verschiedenen Kolleg:innen bei Google zu vernetzen. Es ist eine interessante Mischung aus Business Development, Produktentwicklung und Engagement mit Vertriebspartnern. Da ich mit mehreren Partnern und Kunden parallel arbeite, habe ich die Möglichkeit, immer etwas Neues zu machen, auszuprobieren und auch um die Welt zu reisen – das finde ich besonders toll. Im Moment leite ich ein interessantes Nachhaltigkeitsprojekt und die Arbeit daran macht mir unglaublich viel Spaß.

Wie sah deine Laufbahn vor Google aus – was hast du vor 2016 gemacht?

Ich habe sowohl in Brasilien als auch in Deutschland – an der Bauhaus-Universität Weimar – studiert. Im Anschluss habe ich in Brasilien meine Karriere als Communications und Event Manager für Firmen wie Coca-Cola und MTV gestartet. Ich wäre wahrscheinlich in Brasilien geblieben, wäre ich nicht mit Anfang 20 entführt worden – es ist zum Glück alles gut ausgegangen. Dennoch: Diese Erfahrung hat mich überzeugt, andere Abenteuer im Ausland erleben zu wollen. Ich bin damals nach Kalifornien gezogen und habe mehrere Jahre in San Francisco gelebt. Dort habe ich im Media Planning im Tech-Bereich angefangen und dort für große globale Media-Agenturen gearbeitet, danach bei Microsoft im Marketing, wo ich den Media Planning-Bereich für Consumer- und Cloud-Produkte geleitet habe. Im Anschluss war ich Global Media Director für Mars PetCare und seit 2016 bin ich nun bei Google.

Was ist deine größte Motivation – im Job und Privatleben?

Menschen motivieren mich ungemein. Ich ziehe meine Energie durch die Interaktion mit anderen Personen um mich herum. Zu verstehen, wie andere Menschen denken, wie Konsument:innen sich verhalten und welchen transformativen Einfluss Technologie im Alltag und im Business-Bereich hat – das ist so faszinierend. Es ist mir auch wichtig, ich selbst und authentisch sein zu können. Und das kann ich hier bei Google sehr gut. Ich bin ja schließlich ein schwuler, schwarzer Mann, aktuell mit pinken Haare :-). Das Thema authentische Führung ist mir sehr wichtig. Neulich hat mich ein Google-Kollege aus dem Nichts angeschrieben – weil er neu im Büro war und mit mir übers Schwulsein sprechen wollte und wie man als homosexueller Mann eine erfolgreiche Karriere haben kann. Ich finde, man muss immer versuchen, ein positives Vorbild zu sein, weil du ja nie weißt, wer dich gerade sieht und wie dich die Person sieht.

Du und dein Mann seid Väter zweier Kinder. Wie sieht für dich der ideale Feierabend mit der Familie aus?

Normalerweise versuchen wir, zusammen zu kochen, ein Karten- oder Brettspiel zusammen zu spielen. Uns ist es wichtig, gemeinsame Zeit zu haben, da unsere Tage schon ziemlich voller Aktivitäten sind. Sowohl mein Mann und ich als auch die Kinder haben so volle Kalender – es ist unglaublich. Mein Mann hat sich dieses Jahr ein riesiges Harry Potter-LEGO-Schloss zum Geburtstag gewünscht und im Moment versucht er jeden Abend zumindest einen kleinen Teil davon mit den Kindern weiterzubauen. Wir lesen auch jeden Abend vor dem Zubettgehen zusammen. Zu gleichen Teilen auf Englisch, auf Portugiesisch und auf Deutsch, da unsere Kinder drei Sprachen sprechen. Ich habe neulich vom Projekt Kids read the world von zwei meiner Londoner Kolleg:innen erfahren. Hier habe ich total interessante und vor allem diverse Bücher gefunden, die auch non-normative Familienkonstellationen, Kinder mit anderen Hautfarben und kulturellen Hintergründen abbilden. Ich lese schon ein paar der Bücher mit unseren Kindern und möchte noch weitere für uns bestellen.

  • Googler Daniel Castro do Nascimento steht vor einem Geländer, hinter ihm ist ein Fluss in Dublin, Irland zu sehen. Daniel trägt einen schwarzen Jumpsuit mit weiten Hosenbeinen im Disco-Stil, hat eine Disco-Tanzpose eingenommen und trägt eine violette Perücke und eine Sonnenbrille.

    Daniel feiert als Disco Queen in Dublin, Irland am Rande eines Google-Events

  • Daniel und sein Ehemann Ole sitzen eng zusammen an einem Tisch in einem Restaurant. Sie lächeln in die Kamera, vor ihnen auf dem Tisch liegen die geschlossenen Speisekarten.

    Daniel mit seinem Ehemann Ole

  • Daniel Castro do Nascimento mit seinen Eltern und seiner Schwester in Belo Horizonte in Brasilien. Sie stehen vor einem alten Baum und lächeln in die Kamera.

    Mit seiner Familie hat Daniel ein enges Verhältnis und besucht sie regelmäßig in Belo Horizonte, Brasilien

  • Seitliches Porträtfoto von Daniel Castro do Nascimento. Er steht vor einem Kleiderschrank, trägt ein schwarzes T-Shirt und seine Haare in pinker Farbe.

    Pretty in pink – seit knapp sechs Wochen trägt Daniel seine Haare in sommerlichem Rosa

  • Daniel und sein Mann Ole stehen gemeinsam unter einem Regenschirm, es regnet stark. Sie tragen beide T-Shirt und kurze Hosen. Neben ihnen stehen ihre beiden Kinder, die jeweils auch einen Regenschirm halten. Alle schauen in die Kamera.

    Bestens geschützt im Sommerregen – Daniel mit seinem Mann und ihren gemeinsamen Kindern

Wie sprecht ihr mit euren Kindern über Geschlechtsidentität und Sexualität?

Neulich hat uns eine unserer beiden Töchter gesagt, dass sie nun als „Er“ und auch mit einem neuen Namen – Max– angesprochen werden möchte. Das Thema Geschlechtsidentität ist für uns sehr neu. Einerseits ist es uns sehr wichtig, unseren Kindern keine feste Wege vorzugeben. Max möchte momentan Max sein. Er ist ein Kind, das seine Identität erkundet und herausfinden will, wie er sich der Welt präsentieren kann. Wir wollen unserem Kind den Raum geben, dies zu tun, ohne voreilige Schlüsse darüber zu ziehen, was das in Zukunft bedeutet. Andererseits hat uns das ganze Gespräch sehr zum Nachdenken über Homophobie und Transphobie gebracht. Wir denken bei diesen Begriffen an Abneigung oder Vorurteile gegenüber Transsexuellen, Homosexuellen oder Transgendern.

Aber wenn man auf die Etymologie des Wortes zurückgeht, kommt Phobie vom griechischen phobos, was Angst oder Panik bedeutet, und oft fällt es Menschen schwer, etwas zu akzeptieren, was sie nicht verstehen. Und es war interessant zu sehen, dass mein Mann und ich auch einen kleinen Panikmoment hatten, in dem wir uns fragten: „Was bedeutet das für uns?“

Man würde denken, dass wir als gleichgeschlechtliches Ehepaar beide total gut auf eine Geschlechtsidentiätsdiskussion bei uns zu Hause vorbereitet gewesen wären, aber wir machen uns wie jede Eltern natürlich ein bisschen Sorgen darum, was Homophobie oder potenziell Transphobie für unser Kind in Zukunft bedeuten könnte. Ich habe viel darüber nachgedacht, wie wichtig es ist, Menschen sichtbar zu machen, wie wichtig es für mich ist, am Arbeitsplatz und in allen Bereichen, in denen ich tätig bin, offen sichtbar und stolz schwul zu sein. Denn je mehr Menschen wiederum Menschen wie mich sehen, je mehr Menschen wiederum Trans-Menschen und Menschen mit nicht-binären Geschlechtsidentitäten sehen und mit ihnen interagieren, desto mehr Menschen werden sich hoffentlich mit ihnen verbinden und eine offene und akzeptierende Gesellschaft werden. Wir fürchten das, was wir nicht sehen, wir fürchten das, was wir nicht verstehen, und je mehr wir alle Arten von Menschen sehen, desto toleranter werden wir als Gesellschaft. Authentische Führung ist aus diesem Grund wirklich wichtig.

Im Vorgespräch hast du uns offen davon berichtet, dass ihr euch – als ihr noch in Großbritannien gelebt habt – für eine Leihmutterschaft entschieden habt. Magst du uns dazu etwas mehr erzählen?

Unsere Leihmutter lebt in Thailand und unsere Eizellspenderin kommt aus der Ukraine. Wir haben etwa vier bis fünf Jahre lang versucht, Kinder über In-Vitro-Fertilisation (IVF) zu bekommen. Leihmutterschaft ist eine große Vertrauensübung, da jemand Anderes dein Kind für dich austrägt und du einfach darauf vertrauen musst, dass diese Person das Beste für das Kind und sich tut. Uns war es immer wichtig, unseren Kindern ganz offen zu kommunizieren, wo sie herkommen und dass sie auch wissen, dass sie durch eine Leihmutter zur Welt gekommen sind. Wir nennen unsere Leihmutter liebevoll "tummy mummy" und wir haben immer versucht, altersgerecht mit unseren Kinder über das Thema zu sprechen. Bei uns gibt es keine Geheimnisse und wir sprechen über das Thema Leihmutterschaft sehr offen in der Familie. Damals nach der Geburt unserer Kinder hat auch die große brasilianische Zeitung Globo über uns berichtet.

Unsere Eizellspenderin war neulich durch den schrecklichen Krieg in der Ukraine in großer Gefahr und wir haben ihr dabei geholfen, die Ukraine zu verlassen. Das war für mich sehr emotional und eine schwierige Zeit, aber ich freue mich sehr, dass wir ihr helfen konnten.

Leihmutterschaft ist ein komplizierter Prozess, in dem viele Parteien involviert sind (Leihmutter, Eizellspenderin, Agenturen, Anwält:innen etc.) – und leider auch ziemlich teuer. Ich wünsche mir, dass noch mehr Menschen – schwule oder heterosexuelle Ehepaaren oder Single-Mütter und -Väter es sich leisten könnten, ihre Kinderwünsche erfüllen zu können. Zudem ist Leihmutterschaft in Deutschland gesetzlich nicht erlaubt, wir haben unsere Kinder aber bereits bekommen, als wir noch in Großbritannien gelebt haben. Natürlich gibt es auch noch andere Wege, um Eltern zu werden und jede:r und jedes Paar muss für sich entscheiden, was das richtige für sie oder sich ist.

Mit euren Kindern seid ihr von London nach Berlin gezogen. Eine sehr bewusste Entscheidung?

Ich wollte mich beruflich verändern und hatte die Chance, an einen anderen Google-Standort zu wechseln. Theoretisch hätte es auch eine andere Stadt in Deutschland werden können, aber schließlich wurde es Berlin. Der Sprung von London hierher fühlte sich am natürlichsten an – eine Stadt, in der unser Familienkonstrukt einfacher akzeptiert würde. Obwohl ich nicht ausschließen möchte, dass es auch andere offene deutsche Großstädte gibt.

Auch wenn wir in einer großen offenen kosmopolitischen Stadt wie Berlin leben, heißt es nicht, dass es hier keine Homo- oder Transphobie oder andere Aggressionen gibt. Ich wurde in Berlin wie auch in London in der Vergangenheit von, sagen wir mal, closed minded people angesprochen. Wenn ich mit rassistischen oder homophoben Situationen konfrontiert werde, ist es mir wichtig, so zu reagieren, dass ich meinen Kindern zeigen kann, dass es nicht in Ordnung ist, bestimmte Verhaltensweisen zu akzeptieren. Genauso aber, dass es nicht in Ordnung ist, auf Aggression mit Aggression zu antworten. Meine Strategie ist vielmehr „kill them with kindness“.

Hast du das Gefühl, dich und deine Familienkonstellation erklären zu müssen?

Wir sind als interracial Ehepaar – ich schwarz, mein Ehemann weiß – mit zwei Kindern alles andere als die Norm, das wissen wir. Wir fallen auf, wir sind easy to spot, also in der Öffentlichkeit nicht zu übersehen. Ich bin stets darauf vorbereitet, dass uns als Familie jederzeit ein unerwarteter dummer Kommentar auf der Straße gedrückt werden kann – was aber glücklicherweise selten geschieht.

Es gibt Menschen, die können und wollen unseren Lebensstil und unsere Familienkonstellation nicht verstehen – einfach aus dem Grund, dass sie so einer nicht-regulären Familie wie unserer vorher nicht begegnet sind. Kommt es doch zu einer Konfrontation mit Dritten, scheue ich die Auseinandersetzung nicht, sondern suche aktiv den Dialog. Mir ist es wichtig, dass ich die Gelegenheit nutze, um authentisch aufzuklären und Wissen zu vermitteln – nur so können Vorurteile gebrochen werden (Stichwort: ‚Break the bias‘). Gleichzeitig möchte ich durch so ein Verhalten meinen Kindern ein Vorbild sein.

Wie bist du deinen Kindern sonst noch ein Vorbild?

Mein Partner und ich gehen mit unseren Kindern keine Liste à la ‚Hier sind zehn Dinge, die wichtig und politisch korrekt sind. Bitte befolgen.‛ durch. Vielmehr integrieren wir das Thema authentische Führung in unseren Alltag. Kinder nehmen einen sehr genau wahr und merken, wie man auf Situationen reagiert – und lernen dadurch. Wir gehen mit anderen Leuten immer respektvoll um, nehmen sie ernst und offen auf. Liebe und Respekt sind die Schlüssel, die wir als Ehepaar im Alltag nutzen. Wir glauben, dass unsere Kinder so ein friedvolles Miteinander lernen.

Auch bei uns zu Hause dürfen die Kids so sein, wie sie wollen. Wir halten uns nicht an soziale Normen – was gefällt, wird akzeptiert. Es muss sich niemand verstellen. Anders zu sein ist toll und kann als special power genutzt werden. Aber die Zimmer müssen unsere Kinder schon alleine aufräumen – gewisse Regeln gibt es bei uns schon.

Wie dürfen wir uns einen Tag bei euch zu Hause vorstellen?

Chaotisch. Wir sind ein brasilianisch-deutsch-britischer-thai Haushalt. Unsere zwei Kinder sind dank Leihmutterschaft in Thailand zur Welt gekommen – deswegen halten die zwei auch zusätzlich die thailändische Staatsbürgerschaft. Wir sprechen eine Mischung aus drei Sprachen – wobei es keine klaren Regeln gibt, wann was gesprochen wird. Meine Kinder sprechen mit mir auf Portugiesisch und mit meinem Mann Ole auf Deutsch. Ole und ich sprechen auf Deutsch und die Kinder wiederum Englisch miteinander. Ein wildes Durcheinander, aber es funktioniert (lacht).

Ich habe immer gern Besuch zu Hause – wir kochen gerne mit Freund:innen oder auch mit Arbeitskolleginnen und -kollegen. Bei uns ist immer etwas los, hier wird es nie langweilig.

Zu guter Letzt: Wo gehst du mit eurem Hund Hugo am liebsten spazieren?

Hugo ist meistens überall da, wo ich auch bin. Er kommt sogar mit ins Büro. Google ist ein hundefreundlicher Arbeitgeber – das macht nicht nur mich, sondern auch viele meiner Kolleg:innen glücklich. Die kennen Hugo zum Teil besser als mich, habe ich das Gefühl (lacht). Ansonsten sind wir oft im Monbijoupark oder auch in unserem Kiez – im Prenzlauer Berg – unterwegs.

Danke dir für das offene Gespräch, Daniel.

Du hast Lust bei Google zu arbeiten? Dann schau mal unter careers.google.com/jobs/ vorbei.

Im letzten Jahr haben wir zum Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie mit unserem Kollegen Emre gesprochen. Hier findet ihr das Interview mit ihm.