#20 Die Bewerbung, die 56 Stunden dauerte
Sommer 2001. Headhunter suchen für ein amerikanisches Start-Up den Country Manager für Deutschland. Ich war zu der Zeit der Country Manager von Altavista in Deutschland. Altavista war DIE Suchmaschine weltweit: präzise, einfach, große Reichweite und mit den meisten Suchmaschinen-Patenten weltweit. Okay, dann mal Käffchen trinken und schauen, was die anderen Typen drauf haben.
Nach 40 Minuten war eins klar und eins noch nicht: 1.) WOW, da passiert etwas Neues. Weitaus präzisere Suchergebnisse, perfektes User Interface und alle Ressourcen auf die technische Weiterentwicklung am Produkt!! 2.) Wann kann ich in die USA fliegen, um das dortige Management kennenzulernen bzw. die mich??
Keine Chance – Kalender ist voll. Außer man plant mal komplett neu. Ein traditionelles Ritual, mit meinen besten Kumpels zu U2-Konzerten zu gehen, muss überplant werden. Eigentlich wollten wir am 12. Juli ganz entspannt erst U2 in der Kölnarena hören und danach noch ein paar Tage abhängen (die Tour war ausverkauft und das Ticket sehr teuer). Dank meiner Einladung zu Google nach San Francisco wurde daraus eine durchgemachte Nacht in Köln und am nächsten Morgen ging es für mich mit der ersten Maschine ab in die USA. Dort die Interviews machen, noch einen Tag in San Francisco verbringen und sich die Stadt anschauen, dann zurück nach Hamburg und am Montagmorgen wieder regulär am Schreibtisch sitzen.
Der Grund für eine durchmachte Nacht: Das Ticket für die ausverkaufte U2 Tour 2001.
Doch der Reihe nach: Der Abend es 12. Juli 2001 in der Kölnarena. Ein super Konzert von U2! Großer Auftritt der vier irischen Jungs und ein ebensolcher von meiner Clique: Große Party! Danach frühmorgens in den Flieger, erst mal schlafen. Ankunft in San Francisco mit Verspätung. Mein Handy kann nur Dual-Band, funktioniert also nicht in den USA. Dann mal den netten Taxifahrer vom San Francisco Airport nach Mountain View fragen, ob man mal bei Google anrufen kann, um die Verspätung anzukündigen.
Inzwischen ist es Freitagnachmittag. Nach „Thank God – it’s Friday“ leeren sich die Schreibtische bei Google. Ich habe im Halbstunden-Takt Interviews mit sechs Managern, unter ihnen Omid Kordestani (weltweiter Sales-Chef) und Sergey Brin (Google-Gründer). Sein Büro ist eine einzige Schrauberwerkstatt mit Dutzenden offenen Rechnern, Radios und anderen Geräten. Super interessante Leute, tolle Gespräche und große Wertschätzung. Ein noch größeres WOW, als nach dem ersten Kontakt in Hamburg. Was für eine Energie und Vision haben die hier alle! Fehlen nur noch ein ordentliches Hotelbett und ein schöner nächster Tag in San Francisco.
Wird aber nichts! Zwischendurch steckt eine Assistentin den Kopf durch die Tür. Der USA-Sales-Chef Tim Armstrong will mich am nächsten Tag in New York sehen. Ich möge verstehen, dass man mir so schnell kein Flugticket organisieren kann. Dafür noch ein Tipp: So früh wie es geht, am Flughafen sein und dort das Ticket nach Deutschland – jetzt mit zusätzlichem Zwischenstopp in New York – umbuchen. Und ein Zettel mit einer Handynummer. „Ruf die Nummer an, Tim kommt dann vorbei und holt dich ab.“
Samstagnachmittag – Landung in New York, suche nach einem Münztelefon (ich habe immer noch mein Dual-Band-Handy), Nummer wählen. Telefoniere mit einem Typen namens Tim, der sagt, dass er in ca. 20 Minuten mit einem schwarzen SUV vorbeifährt, er mich dann einsammelt und wir uns irgendwo hinsetzen, um über das Business zu reden. KRASS!! Aber es klappt – es wird ein einfaches Fastfood-Ding am Flughafen. Wir malen auf einem Zettel (ich habe ihn noch) das AdWords-Modell auf, finden das alles klasse und uns gegenseitig sympathisch. Nach ca. 1,5 Stunden will er wieder zu seiner Familie – es ist Samstag und wünscht mir einen guten Flug (logisch – alles Economy) zurück nach Hamburg.
Der damalige Besucherausweis von Holger Meyer
Also ich in den Flieger zurück nach Frankfurt und von dort weiter nach Hamburg. Als ich Sonntagmittag dort ankomme, dauerte mein „kleiner Google-Ausflug“ genau 56 Stunden an. Dazu davor noch das U2-Konzert. Besser kann man sein Wochenende nicht verplanen.
Ein paar Wochen später bekam ich einen Anruf von Omid Kordestani, er möchte mir einen Arbeitsvertrag zumailen. Den habe ich unterschrieben und am 10. Oktober 2001 mit der weltweiten Personalnummer 300 und mit der deutschen Personalnummer 1 meinen Job angetreten. Der Anlass, warum wir jetzt das 20-Jährige feiern können.
PS: Wie mir viel später mal erzählt wurde, war der „spontane Stopp“ in New York ein Test, ob ich mich als Manager ohne Assistenten selbst organisieren kann und da nicht zimperlich bin.
PPS: Bono von U2 besuchte als Nachbar mit seinem Musikstudio das Google Office in Dublin. Ich war gerade auch da und trank mit ihm zwei Budweiser Bier.